Die Zusammenhänge und Hintergründe in meinen Büchern
Vortrag für den FKSF Leipzig e.V. am 5.11.2004

von Wilko Müller jr.



Ausgedehnte Lesungen sind bekanntlich etwas anstrengend. Auszüge aus Romanen sind erstens vom Autor schwer auszuwählen, und zweitens vom Zuhörer schwer zu verstehen, weil aus dem Zusammenhang gerissen, so daß ein zusätzlicher Erklärungsbedarf besteht. Gespräche mit dem Autor sind meist interessanter. Nun kennt man mich aber in Leipzig schon ganz gut und ich fürchte, daß nicht einmal Manfred noch ausreichend Fragen einfallen, um ein interessantes Gespräch über 2 Stunden anzuzetteln. Also bleibt mir nur das Vorlesen längerer Texte oder etwas anderes. Ich habe mich für etwas anderes entschieden. Ich möchte eine Art Vortrag mit eingeschobenen Leseteilen halten. Natürlich einen Vortrag über meine schriftstellerische Tätigkeit. (Da ich ihn schon aufgeschrieben habe, ist es trotzdem eine Art Lesung.)
 
Vor 20 Jahren erschien meine erste Story in einer Anthologie. (Das war die Story "Seert" in "Denn wir sind von dieser Welt. Anthologie schreibender Kinder und Jugendlicher der Stadt Halle".) Mit dem Schreiben fing ich allerdings schon etwa 10 Jahre eher an. Zunächst waren es kürzere Geschichten, dann längere, die sich schließlich zu Büchern auswuchsen ... Bis mein erster Roman veröffentlicht wurde, mußte ich aber noch 6 Jahre warten.
Es ist nun so, daß ich inzwischen eine Reihe von weiteren Büchern geschrieben habe, die zwar keinen richtigen Zyklus darstellen, aber doch auf gewisse Weise miteinander verknüpft sind, was vermutlich den wenigsten Lesern aufgefallen ist. Daher möchte ich heute vor allem die Zusammenhänge zwischen meinen bisher geschriebenen und teilweise auch schon veröffentlichten Büchern erläutern. Gerade mit dem in diesem Jahr fertig gewordenen Buch habe ich einen großen Bogen geschlossen, der nun eine Reihe meiner Texte inhaltlich miteinander verbindet. Zwar ist es immer ein schlechtes Zeichen, wenn ein Autor seine Bücher dem Leser extra erklären muß, aber ich denke, daß man auf diese Hintergründe, die ein Leser nicht unbedingt zu kennen braucht, um das Buch zu verstehen, ruhig einmal eingehen kann. Das wird also einen Teil des Vortrages ausmachen.
Außerdem finde ich die Frage, woher ein Autor seine Ideen und Inspirationen bezieht, gar nicht so uninteressant. Es ist kein Wunder, daß sie so oft gestellt wird, daß es manchmal schon peinlich ist und gewisse Leute schlicht behaupten, sie bekämen ihre Ideen per Post aus Schenectady. Man hat sogar schon einen ganzen Con (den Ratzecon 1997) um diese Frage abgehalten, und ich hatte das manchmal recht zweifelhafte Vergnügen, dort als Gast eingeladen zu sein. Weil das anscheinend doch viele interessiert, will ich also versuchen, im Rahmen der Enthüllung der Hintergründe und Zusammenhänge auch ein paar Gedanken zu den Quellen einzuflechten, falls sie mir noch einfallen.

Fangen wir mit meinem ersten veröffentlichten Buch an:
1990 erschien im Oberlausitzer Verlag der erste und zweite Teil von »(Die) Zauberer des Alls« in einem Band – mein erster Roman mit einer Auflage von 10000 Exemplaren (die aber nie alle verkauft wurden). Geschrieben wurde das Buch jedoch schon einige Jahre früher, der erste Teil war bereits 1987 unter dem ursprünglichen Titel »Das Robinson-Experiment« im Fanzine count down magazin der Familie Kreutziger in Fortsetzungen erschienen. Der 3. Teil, »Operation Asfaras«, war ebenfalls schon Anfang 1988 fertiggestellt, doch er wurde aus geschäftlichen Gründen nicht mehr wie geplant vom Verlag veröffentlicht. »Zauberer des Alls« hatte durchaus noch seine Schwächen, die Fortsetzung fand ich selbst jedenfalls schon besser gelungen. Aber mir geht es hier nicht um die Qualität des Buches, sondern um bisher geheime Hintergründe und Zusammenhänge.
Für alle, die das Buch nicht kennen, gebe ich schnell einen Überblick des Inhaltes:
Auf einem Planeten, der irgendwann vor längerer Zeit von Menschen besucht wurde, kommt in einer unterirdischen Anlage ein Mann zu sich, der – wie sich später herausstellt – ein Roboter mit Bewußtsein ist. Auf der Welt Onsitrok leben Humanoide, die früher etwas konnten, was hier als Zauberei bezeichnet wird. Doch eine dritte Rasse, mit der die Menschen anscheinend ebenfalls in Konflikt gerieten, hat die Onsitrok-Bewohner unterworfen und ihnen ihre magischen Fähigkeiten geraubt. Der Roboter Robinson wurde auf zunächst unbekannte Weise so manipuliert, daß er ebenfalls die mysteriösen magischen Fähigkeiten hat. Zusammen mit einigen Bewohnern des Planeten muß er das Geheimnis um die Invasoren und den Verbleib der Menschen aufklären. In der zweiten Hälfte des Buches kommt er dann zur Erde, die inzwischen ebenfalls von den sogenannten Vanroukh angegriffen wurde, um seinen ehemaligen Schöpfern beizustehen. In der Fortsetzung wird ausführlich die Heimatwelt der Vanroukh mit ihren verschiedenen Bewohnergruppen vorgestellt, wo Robinson und seine Leute rechtzeitig eintreffen, um bei einer sich entwickelnden Revolte gegen die finsteren Machthaber mitzumischen.
Zur Entstehung von »Zauberer des Alls« ist mir nicht mehr viel in Erinnerung. Ich notierte eine Idee dazu während einer besonders langweiligen Vorlesung an der Uni in Jena auf einem Hefter. Nur wenig von dem, was ich vorher während meiner Schul- und Armeezeit geschrieben habe, ist erhalten geblieben. Das meiste davon waren Kurzgeschichten. Was nicht ganz unbrauchbar war, habe ich 2004 in dem Sammelband »Der Ypsilon-Faktor« veröffentlicht, der einen kurz kommentierten Querschnitt durch meine ganze Entwicklung als Schreibender bietet. Mit »Zauberer des Alls« begann ich meinen ersten ernsthaften Versuch, einen Roman zu schreiben. Die ersten beiden Teile waren noch während des Studiums fertig, und auch der viel längere 3. Teil, »Operation Asfaras«, wurde im letzten Studienjahr geschrieben, im Praktikum in Bad Klosterlausnitz. Übrigens kamen bestimmte Landschafts- und Naturbeschreibungen in dem Buch sozusagen live aus dieser Gegend. Mit der damals an der Uni für mich zugänglichen DDR-Computertechnik berechnete ich z.B. die planetologischen Daten der Welt Asfaras – geschrieben habe ich das erste Manuskript noch auf der Schreibmaschine.
In diesem Roman, der 1991 von SOLAR-X erstmals veröffentlicht wurde und 2003 endlich auch als Buch erschien, brachte ich zum ersten Mal etwas unter, das auch für spätere Projekte eine Bedeutung haben sollte. Ich baute ganz bewußt eine Szene ein, die mit der Handlung des Buches scheinbar gar nichts zu tun hatte, eine Szene, die ich schon 1988 als Aufhänger für eine Verbindung meiner vermutlich noch kommenden Bücher zu verwenden gedachte, obwohl für diese zu jenem Zeitpunkt noch nicht einmal Ideen existierten!
Dazu als Begründung kurz ein etwas weiteres und abschweifendes Ausholen: In der DDR-SF gab es keine richtigen Zyklen und nur wenige miteinander zusammenhängende Romane bzw. gar Fortsetzungen, wie die meisten hier gut wissen. (Es gibt natürlich auch Gegenbeispiele.) Ich war damals aber von der Idee des Zyklus’ oder auch der Konstruktion in sich geschlossener literarischer Welten fasziniert (wie sehr einem Zyklen heute auch manchmal auf den Nerv gehen mögen). Vermutlich 1988 konnte ich die ersten Bände des »Drachenlanze«-Zyklus von Weis und Hickman erwerben, allerdings erst nach dem Abschluß der Arbeit an »Operation Asfaras«. Letzteres leite ich aus der Tatsache ab, daß meine ersten Bücher der riesigen Drachenlanze-Serie Auflagen von 1988 sind und ich sie frühestens nach der Buchmesse im März gekauft haben kann, der Roman aber im Februar ‘88 datiert ist. Wahrscheinlich hat mich eher Asimovs »Foundation« als zusammenhängende Welt in dieser Richtung beeinflußt, wovon ich einige Bände schon früher aus der UdSSR importierte. Dort war man bekanntlich viel liberaler im Verkauf westlicher SF in englischer Sprache.
Ich hatte schon in jenen Tagen in Bad Klosterlausnitz, als ich beim Schulpraktikum mangels anderer Freizeitbeschäftigung »Operation Asfaras« schrieb, gewisse Ideen für eine breiter angelegte Saga, und als gerade fertig gewordener Astronomie & Physik-Lehrer auch das nötige naturwissenschaftliche Interesse, um die Idee des Möglichkeitsuniversums zu entwerfen, einer Weltenvielfalt der Paralleluniversen, die sich nur durch die eingeschlagenen Entwicklungswege, also die Möglichkeiten unterscheiden. Freilich ist diese Vorstellung heute ein alter Hut. Alternative oder parallele Universen gibt es in der SF ja haufenweise. Später werde ich noch etwas mehr zu meiner eigenen Variante sagen.
Nebenbei: Ich hatte zuvor nur wenig Gelegenheit, westliche SF zu lesen. Dann war ich nach der Wende ziemlich überrascht, einige meiner Ideen bei Farmer u.a. Autoren wiederzufinden. Was nur beweist, daß Ideen in der Luft liegen oder wir sie alle aus Schenectady beziehen.
Zurück zu »Operation Asfaras«. Auf Seite 140 der Buchfassung beginnt die kurze Episode, die gar keinen Zusammenhang mit der eigentlichen Handlung hat. Jana, ein Mädchen von der Erde, das es zusammen mit Robinson nach Asfaras verschlagen hat, begegnet auf seinem einsamen Marsch durch den Inselkontinent Kator einem Mann, der mitten in der Wildnis gerade in aller Seelenruhe eine Landkarte studiert. Er bezeichnet sich selbst als den Wanderer. Jana unterhält sich mit dem Mann und geht dann weiter, erst danach fällt ihr auf, wie merkwürdig die ganze Begegnung eigentlich war.
So merkwürdig wie die Begegnung mit einer Gestalt aus einem anderen Buch bzw. Film, so als ob der Terminator sich plötzlich dem Predator gegenüber sähe. Oder einem Alien. Unmöglich? Wer wagt schon, das zu behaupten?
Aufmerksame Leser haben vielleicht geglaubt, ich hätte hier etwas begonnen und dann fortzusetzen vergessen – doch das war keineswegs ein Fehler! Übrigens hat es nie einer erwähnt, also glaube ich fast, daß es gar keiner gemerkt hat.     [Textstelle] 
Die Bezeichnung Wanderer ist dabei ganz bewußt an die Strugazkis angelehnt, durch deren Bücher sich z.T. auch Hinweise auf die mysteriösen Wanderer ziehen, hier allerdings eine außerirdische Super-Rasse, ohne daß sie meines Wissens je aufklären, was es mit denen auf sich hat. Mein Wanderer hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine richtige Bedeutung, er war so etwas wie ein »Schläfer«, um einen Begriff aus dem Spionagethriller zu borgen.
Nun zu einem anderen Buch. Von 1992 bis März 1994 schrieben Philipp D. Laner und ich den Fantasy-Roman »Stronbart Har«. Im Januar 1994 erschien auch der Mosaikroman »Die Zeitläufer« zum ersten Mal. Diese monatliche Angabe ist wichtig, da tatsächlich in der letzten Phase die beiden Bücher von mir parallel geschrieben wurden. Wie ich das gemacht habe, kann ich mir heute selber kaum noch vorstellen, aber es ging anscheinend.
Wieder eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes:
Ein zum Tode verurteilter Abenteurer namens Brad Vanquis wird auf einer dieser typischen Fantasy-Welten von einer Gruppe um den Schwarzen Magier Zach-aknum gerettet, weil der ihn als Führer durch den Fluchwald braucht. Der sadistische Oberzauberer des Reiches, das Brad gerade köpfen lassen wollte, ist davon so gerührt, daß er unverzüglich mit einigen Soldaten zur Verfolgung aufbricht. Erst als beide Gruppen in den Fluchwald eingedrungen sind, der eine Zone gefährlicher raumzeitlicher Phänomene darstellt, zeigt sich der wahre Grund für Zach-aknums Reise. Er stammt von einer parallelen Welt, die früher durch gewisse Tore mit der Welt der Handlung verbunden war. Der Diebstahl einer Art Reliquie hat diese Verbindung gestört und das droht zum Weltuntergang zu führen, wovon allerdings kaum einer etwas ahnt. Zach-aknum hat nun diese Statue wieder an sich gebracht und muß nur noch das letzte Tor erreichen, um nach Hause zu kommen. Und das befindet sich, man errät es sicher: im Fluchwald, dessen Phänomene auch mit der Störung der Tore zu tun haben. Immer verfolgt vom rachsüchtigen Lord-Magister und den unberechenbaren Widernissen des Fluchwaldes ausgesetzt, müssen sich die Helden durch ihn kämpfen.
In »Stronbart Har« aktivierte ich meinen Schläfer und zog die erste Verbindung.
Als der Hauptheld Brad Vanquis von seinen Gefährten getrennt durch den Fluchwald irrt, begegnet nämlich auch er dem Wanderer! (S. 172) Absichtlich habe ich bei dieser Szene fast wörtlich das selbe Treffen geschildert wie in »Operation Asfaras«. Auch Brad geht weiter und ihm fällt erst später auf, wie komisch es ist, mitten im Fluchwald so einen Mann zu treffen.     [Textstelle] 
In »Stronbart Har« erklärte ich diese Begegnung noch nicht, Leser mögen sie für eine weitere Absonderlichkeit des Fluchwaldes gehalten haben, in dem Raum und Zeit völlig verrückt spielten – übrigens nachweislich von der »Zone« der Strugazkis in »Picknick am Wegesrand« beeinflußt. Das war Bestandteil der ursprünglichen Idee, die Philipp D. Laner und ich entwarfen und die sich in einem Satz zusammenfassen läßt: Eine Gruppe von Leuten sollte von einer anderen Gruppe durch gerade so eine Art Zone gejagt werden. Daraus ist inzwischen ein Werk von über 1000 Buchseiten geworden. Unheimlich, nicht wahr?

Wie kann nun eine Gestalt in scheinbar so verschiedenen Büchern auftauchen? (Ein Autor, bei dem ich das Prinzip später wiederfand, war übrigens Michael Moorcock. Da gibt es gleich mehrere Personen, die entweder unter anderen Namen oder als Inkarnationen durch seine unterschiedlichen Romane geistern. Sehr verwirrend.) Alles hängt mit dem Möglichkeitsuniversum zusammen.
Die schon erwähnte Vorstellung des Möglichkeitsuniversums wurde von mir in dem parallel erschienenen Buch »Die Zeitläufer« ausführlicher entwickelt und später auch in abgewandelter Weise in dem Roman »Mandragora« verwendet. In »Die Zeitläufer« gibt es das sogenannte Ding ohne Namen, eine buchstäblich körperlose Entität oder Wesenheit, die im Inneren eines Berges schläft, bis sie von den Neutrinos einer – damals tatsächlich beobachteten Supernovaexplosion – wieder geweckt wird. Das genaue Wesen von Entitäten wird auch erst in »Mandragora« erklärt. Dieses superdimensionale Ding ist dafür verantwortlich, daß in den Zeiten seines Wachzustandes in einer Reihe von Menschen übernatürliche Fähigkeiten hervorgerufen werden, die man auch als magisch beschreiben könnte.
Im abschließenden Kapitel des Buches bewegt das Ding ohne Namen diese Gruppe von Menschen dazu, die Erde der Gegenwart zu verlassen, da die menschliche Zivilisation sonst einer zu großen Belastungsprobe ausgesetzt würde. Die eigentlichen Zeitläufer sind dabei übrigens Leute, die aus dem Mittelalter stammen – allerdings einer alternativweltlichen Erde, wie sich herausstellt. Der Zeitläufer namens Thomas erhält von dem Ding ohne Namen in diesem Zusammenhang ein Paket mit Landkarten »von Welten, die es nicht gibt«. Diese Karten stellen eine von mehreren Möglichkeiten dar, zu anderen Welten bzw. Universen des Möglichkeitsuniversums zu wechseln. Thomas wird später der Wanderer sein, dem der Leser schon in den früheren Büchern auf so merkwürdig unzusammenhängende Weise begegnet ist!
Das Buch selbst ist recht ungewöhnlich, und nicht nur, weil es von zwei Autoren (Renald Mienert und mir) z.T. unabhängig voneinander verfaßt wurde. Auch Form und Inhalt halten sich nicht unbedingt an gängige Leseerwartungen, es scheint sogar Fantasy, Science Fiction und eine ganze Menge Horror zu vermischen. Der Grund dafür liegt vor allem in der besonderen Art und Weise, wie das Buch entstanden ist.
»Die Zeitläufer« ist ein Mosaikroman, d.h. er wurde von mir aus den ursprünglich als Stories konzipierten Teilen zusammengefügt und durch eine Rahmenhandlung und speziell dafür geschriebene Teile verbunden. Nicht ganz so einfach und geradlinig, wie das jetzt klingen mag, denn es geht dabei schon mal in mehreren Zeitebenen und Rückblenden über die Jahrtausende und Dimensionen hinweg. Außerdem wurden Stories von Renald Mienert einbezogen, der unter dem Pseudonym Philipp D. Laner mit mir zusammen auch an »Stronbart Har« schrieb. Teile des Buches erschienen vorher als Stories in SOLAR-X und seinen Ablegern Snake Poison und Zorn. Die Form ist nicht das, was man als Leser gewohnt ist, und deshalb vielleicht nicht ganz einfach – aber wer hat gesagt, daß alles einfach zu lesen sein muß?
Die Entstehung des Buches wurde seinerzeit im halleschen SF-Club mit Interesse verfolgt und sogar diskutiert, daher finden sich darin auch ein paar Insider-Anspielungen auf bekannte Leute oder Orte. Zum Verständnis ist eine Kenntnis dieser nicht nötig; für ein paar Leser ergibt sich daraus aber eine weitere Ebene des Erzählens, ein Bonus-Level für Eingeweihte sozusagen.
Dieses Buch nimmt eine Schlüsselstellung in der großen Verbindung aller Teile ein, weil es u.a. erklärt, woher der Wanderer kommt. Es fügt außerdem dem Bild des Möglichkeitsuniversums eine weitere Facette hinzu und erweitert die Verschmelzung von Science Fiction und Fantasy in dem Gesamtwerk.
Letzteres wird oft für unmöglich gehalten, und doch haben es schon viele gestandene Autoren wie Silverberg, McCaffrey, Weber u.a. erfolgreich getan. Letzten Endes ist der Definition nach Fantasy, die sich wenigstens pseudowissenschaftlich erklären läßt, dann doch wieder SF, aber ich mache mir beim Schreiben über solche Abgrenzungen wenig Gedanken, wenn die Zusammenhänge für mich logisch zu funktionieren scheinen. Die von mir verwendete Idee des Möglichkeitsuniversums läßt es meiner Meinung nach in ihrem Rahmen durchaus zu, z.B. einen Roboter mit magischen Fähigkeiten zu haben wie in »Zauberer des Alls«, oder Drachen und andere Entitäten mit Kräften, die nicht mit unseren Naturgesetzen erklärt werden können. Es ist alles eine Frage der Definitionen und Rahmenbedingungen, was wieder einmal zeigt, wie gut es ist, als SF-Autor ein Physikstudium hinter sich zu haben.
»Die Zeitläufer« wäre nie als Gesamtwerk entstanden, wenn es nicht den ASFC gegeben hätte. Ich schrieb damals die Stories, die bereits in der SOLAR-X Ausgabe als »Zeitläufer-Geschichten« deklariert waren, und es waren z.T. brutale Horror-Geschichten, die meine ganz persönliche Frustration reflektierten. Nicht ohne Grund wurden sie erstmals in einer kleinen Anthologie namens »Zorn« zusammengefaßt. Im Club diskutierten wir über diese Texte, vor allem auch, weil die anderen Mitglieder mich und sich selbst leicht darin wiederfanden. So sind wir eigentlich die Zeitläufer – wenigstens zu einem Teil. Wenn uns einer belauscht hätte, würden wir vermutlich noch heute als Terroristen im Knast sitzen, denn es ging bei den Diskussionen um die Sprengung eines Kaufhauses und die Auslöschung des Bundestages. (Diese Idee ist eine der hartnäckigsten ...)
Es gehörte damals nicht besonders viel literarische Überhöhung dazu, um Trends weiter zu denken. In einer Reihe von Geschichten verarbeitete ich wie gesagt auch ganz persönlichen Frust und traf damit scheinbar einen Nerv. Als ich z.B. »Wut« zum ersten Mal auf einem Con las, war das beinahe eine kleine Sensation. Dabei ist die Story so gewalttätig, daß ich sie nicht gern vorlese.
Nach der Fertigstellung meines neuesten Buches, in dem auch die Handlung aus »Die Zeitläufer« aufgegriffen wird, habe ich eine nochmalige Überarbeitung und ausführliche Ergänzung mit neuem Material begonnen, die wahrscheinlich auch zu einer Buchausgabe von »Die Zeitläufer« führen wird, zu einem »Director’s Cut«, wie es ein Clubmitglied nannte. Als Premiere nun eine der neuen Stories aus dieser definitiven Endfassung von »Die Zeitläufer«.  [Text]

Ein weiteres Buch spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle: Während einer Umschulungsmaßnahme 1995 langweilte ich mich wieder einmal (siehe "Zauberer des Alls") und begann eine Story über einen Jungen, der aus Versehen den Geist eines Drachen in sich aufnimmt. Was eine kurze Geschichte werden sollte, verselbständigte sich bald: Der Roman »Mandragora« begann und beschäftigte mich für die nächsten 4 Jahre. Die Szene um den Bergwerksstollen im ersten Kapitel ist übrigens sowohl von »Rambo I« als auch eigenen Erlebnissen beeinflußt.
In diesem Buch, das trotz des Auftauchens von Drachen, Elfen und Dämonen keine Fantasy ist, gibt es keine so vordergründige Verbindung zu den anderen Werken. Der Wanderer taucht hier nicht auf. Eigentlich ist das Buch auch nicht als Teil des »großen Ganzen« geplant gewesen, auch wenn es den Gedanken vielfältiger Universen und mächtiger Entitäten etwas abgewandelt aufgreift und vertieft. Erst in der Fortsetzung von »Stronbart Har«, eröffnet sich über die auch dort präsenten Drachen eine mögliche Querverbindung zu diesem Werk, ohne daß allerdings eine solche klar herausgestellt wird. Es tauchen einfach Drachen auf, die in ihrer Art den in »Mandragora« beschriebenen verdächtig ähneln. Aber es sind andere Drachen und eine zeitliche Verknüpfung ist nicht möglich.
Drachen sind bei mir meistens eine Art von Entität, oft werden sie auch als transzendente Wesen bezeichnet. Man könnte sich vorstellen, daß Entitäten eine höhere Stufe in der Entwicklung intelligenter Wesen sind, allerdings eine sehr viel höhere Stufe. Zwar habe ich mir das im Ansatz schon früher ausgedacht, da sie als das Ding ohne Namen auch in »Die Zeitläufer« auftauchen, die weitere Ausarbeitung dieser Idee ist später zweifellos vor allem durch »Babylon V« beeinflußt worden. Die Ur-Idee zu den hyperdimensionalen Entitäten stammt allerdings aus »Per Anhalter durch die Galaxis« von Douglas Adams. Ich glaube, der Drache Mandragora macht auch einmal eine Anspielung, daß er ganz froh sei, in dieser Dimension etwas anderes als eine weiße Maus zu sein.
»Mandragora« steht sozusagen außerhalb der Verbindungen, ohne völlig von ihnen getrennt zu sein. Die Hauptverbindung der Bücher, die zwischen Ende der 80er Jahre und Mitte der 90er angelegt wurde, besteht in einem Zusammenhang zwischen »Operation Asfaras«, der beiden Teile von »Stronbart Har« und »Die Zeitläufer«.

Vielleicht ist an dieser Stelle eine Abschweifung ins Reich des Möglichkeitsuniversums in Raum und Zeit erlaubt. Ich bilde mir nicht ein, mit meiner Vorstellung davon irgend etwas Reales zu beschreiben. Diese Form des Multiversums, das ich mir erdacht habe, erlaubt mir, bestimmte Dinge in den Büchern geschehen zu lassen, wie sie mir auch die eigentliche Verbindung zwischen ihnen erlaubt, denn die Romane handeln zweifellos auf verschiedenen Welten, sogar auf verschiedenen Erden. Die Erde von »Operation Asfaras« kann eigentlich nichts mit der von »Mandragora« oder den Zeitläufern zu tun haben, und doch gibt es Zusammenhänge. Was hat es nun mit diesem Universum auf sich?
Alles hat seinen Anfang bei den Drachen. Das sind Entitäten der Superklasse, die höchste bekannte Entwicklungsstufe des Lebens und der Intelligenz. In »Stronbart Har« und dessen Fortsetzung »Das Tor der Dunkelheit« stehen sie sogar über den Wesen, die sich als die lokalen Götter sehen. Ich nehme dazu folgendes an: Irgendwann in ihrer Entwicklung haben Zivilisationen (also Ansammlungen von wenigstens im Durchschnitt intelligenten Wesen) die Chance zur Transzendenz. Sie gehen auf eine höhere Stufe der Entwicklung über. Menschen sind noch nicht soweit, daher kann ich das nicht im Detail beschreiben, aber einige Auswirkungen. Diese Wesen erlangen z.B. die relative Unsterblichkeit, sie existieren in mehr Dimensionen als wir und sie haben Zugang zu Naturgesetzen dieser Dimensionen, die ich transphysikalisch nenne, also jenseits der Physik. Für uns beschränkte Wesen sieht das so aus, als könnten sie Magie bewirken. (Das ist aber einfach das clarkesche Gesetz in Anwendung.) Sie können all diese Tele-Sachen, wie Telepathie, Telekinese usw. Sie können Tore in andere Dimensionen öffnen. Sie haben natürlich enorme Macht.
Die Drachen sind laut Aussage von Mandragora, dem Purpurdrachen in dem gleichnamigen Buch, weit älter als das Universum. Einst lebten sie in einem einheitlichen, homogenen Weltall und wachten über die noch nicht so hoch entwickelten Zivilisationen. Aber dann entbrannte unter ihnen ein Streit darüber, wie weit sie in die Belange dieser anderen Wesen eingreifen dürften. Denn einige mißbrauchten ihre Macht. Aus dem Streit wurde ein Krieg, in dessen Ergebnis das alte Universum vernichtet wurde, was einiges über die Macht und Gefährlichkeit von Drachen aussagt. Sie selbst überlebten in einer Dimension irgendwo außerhalb des Universums, und dieses wurde in eine Unzahl von einzelnen Universen aufgespalten. Es schien nun wie ein unendlicher Berg aus Schaum zu sein, bei dem die Blasen einzelne Universen waren. Je nach Buch werden diese auch als Aspekte oder Dimensionen bezeichnet, wobei sie nichts mit den Dimensionen unserer höheren Mathematik zu tun haben. Der Schaum an sich ist auch wichtig. So wie Schaum aus dünnen, aber doch endlich dicken Seifenwasserhäutchen besteht, so bildet sich der Universenschaum aus einer eigenen Dimension, die als Randdimension (abgeleitet von »Rand der Universen«) bezeichnet wird. Man kann sogar in sie eindringen und sich dort bewegen. Leute, die sie schon kennengelernt haben, ziehen danach meist den Begriff nocturne Dimension vor. Da diese Dimension quasi alle Universen miteinander verbindet, kann man auch überallhin reisen, wenn man weiß, wie. Mehr davon wird in »Mandragora« erklärt.
In einigen Regionen des neuen Universums haben inzwischen wieder neue Zivilisationen das Stadium der Transzendenz erreicht, obwohl sie sich nicht mit den Drachen messen können, die nun aus Erfahrung klug geworden darüber wachen, daß sich niemand zu sehr in die Geschäfte von anderen einmischt. Ihre Methoden, um das zu verhindern, sind oft sehr endgültig.
Der Vorgang der Transzendenz verändert jedoch auch das Gefüge der Wirklichkeit in diesen Regionen, so daß spätere Zivilisationen wie die in »Stronbart Har« die transphysikalischen oder magischen Gesetze nutzen können, ohne selbst zu den Superzivilisationen zu gehören. Damit erkläre ich das Vorkommen von Magie in einigen, aber nicht in anderen Regionen meines Universums.
Ein Magier könnte sogar in eine magielose Gegend geraten und dort weiterhin seine Kräfte benutzen, wenn auch eingeschränkt. Wie der Dämon Pek in »Das Tor der Dunkelheit« sagt, man nimmt sozusagen seine »Natur-« Gesetze mit. (Das ist wichtig, um logische Fallen zu vermeiden.)

Kommen wir noch einmal zurück zu den Zusammenhängen zwischen den einzelnen Büchern. Es gibt nämlich noch einen weiteren.
Die Zeitläufer aus dem parallelen Mittelalter, welche wegen eines kleinen Fehlers ihres magischen Rituals gleichzeitig mit der Zeit auch das Universum wechseln, und die Kids aus der Gegenwart (die jedoch nicht genau unserer eigenen entspricht) verlassen an der Schwelle zum Jahr 2000 völlig frustriert ihre Heimat, den Polizeistaat Deutschland, und nehmen sich als Ziel den quasi-mythischen Fluchwald Stronbart Har, den in diesem Buch die Autoren Martin W. Melnik und Philipp D. Laner offenbar schon vorher besuchten und in einem gleichnamigen Buch (im Buch!) beschrieben. Melnik und Laner gehören zu einer Gruppe von Individuen, die durch das Ding ohne Namen bereits beeinflußt wurden, aber nicht zu der Hauptgruppe von Jugendlichen, um die es vor allem geht. Melnik, der auch als Frontmann der fiktiven Death Metal Band »Hate Machine« auftaucht, hat in dieser Realität neben einigen anderen Romanen also das Buch »Stronbart Har« geschrieben. Diese DM-Band wird übrigens auch in »Mandragora« erwähnt. Der Hauptheld ist Fan von ihr.
Allerdings wird in »Die Zeitläufer« weder dieser schon vorher aufgebaute Zusammenhang (z.B. im Abschnitt Manche Tage macht die Bahn erst schön) genauer erklärt, noch ob sie nach ihrem Aufbruch, zu dem sie von dem Ding ohne Namen gedrängt wurden, tatsächlich im Fluchwald oder überhaupt irgendwo ankommen. Der Roman endet mit ihrem enttäuschten Weggang – ein passender Schluß für die in dem Buch intensiv reflektierte tatsächliche Situation in der Mitte der 90er Jahre. Wer »Operation Asfaras« und »Stronbart Har« gelesen hat, weiß nun zumindest, daß wenigstens einer von ihnen an diesen Orten aufgetaucht ist.
Wo die anderen hingeraten und ob das Ding ohne Namen sie nicht doch betrogen hat, wird der Leser erst am Ende von »Das Tor der Dunkelheit« erfahren. Da finden sich einige von ihnen auf der Welt wieder, auf der auch Brad Vanquis und die anderen herumirren.
Wichtige Personen in »Die Zeitläufer« sind u.a. Melnik und Laner, ein Pater Renaldi und ein Physiklehrer namens Anders. Außerdem gibt es vor allem zwei Mädchen namens Vera Steinfurth und Annie Smolinski. Mit diesen Personen habe ich eine weitere geheime Ebene der Verknüpfung hergestellt, die ich bisher noch nie offenbart habe.
Martin W. Melnik ist bekanntermaßen mein eigenes Pseudonym. Philipp D. Laner ist das Pseudonym von Renald Mienert, der gleichzeitig also auch Pater Renaldi ist. Außerdem ist er der Onkel Phil von Vera. Die DM-Band »Hate Machine« ist eine Fiktion, obwohl es eine Band ähnlichen Namens inzwischen sogar gibt. Sämtliche Zitate ihrer Texte sind von mir ausgedacht, was sogar so weit ging, daß im SOLAR-X mehrere Besprechungen & [2] angeblicher CDs von »Hate Machine« erschienen. (Wir erhielten auch Anfragen, wo man die kaufen könne.) Das Plattenlabel und den Verlag Spookhouse gibt es natürlich auch nicht, obwohl in diesem Jahr vielleicht ein Buch bei Spookhouse erscheint, das gerade von Martin W. Melnik übersetzt wird ... Ebenso nichtexistent ist aber das in einem April SOLAR-X rezensierte Buch Melniks (Die Mauer Trilogie). Leider ...
Vera Steinfurth hat in »Die Zeitläufer« auch den Decknamen Kathy Leonard benutzt. Beides sind reale Rezensentinnen, die im SOLAR-X aufgetaucht sind. Und ich habe den Namen sogar als Pseudonym für einige meiner frühen Stories verwendet. Doch das ist noch nicht alles.
In »Mandragora« wird ständig ein alter britischer Lyriker namens Richard W. Barnham zitiert. Das ist natürlich ein Pseudonym von mir, aber inzwischen wurde der gute Barnham mit seinen düsteren englischen Texten sogar schon »entdeckt« und u.a. auf schwedischen Internetseiten veröffentlicht. [>1< | >2< | >3< | >4< | >5<]
Alles dient nur einem Zweck: Die Realität verwischen zu lassen und in die Fiktion überzuleiten. Damit auch unsere eigene Welt eine Blase im Schaum des Möglichkeitsuniversums wird.
Was ist also Realität? Das ist eine der Fragen, die ich in »Das Tor der Dunkelheit« halbwegs ernsthaft zu diskutieren versuche. Durch den Einfluß eines sogenannten Chaos-Lords dringen nicht nur Vorstellungen und gedankliche Konzepte aus anderen Welten (vorzugsweise unserer, weil man das leichter erkennt) in eine quasi-mittelalterliche Fantasy-Welt ein, sondern auch die von der Erde geflohenen Zeitläufer und ihre rebellischen jungen Nachfolger kommen dort an, wie ich schon andeutete.
Sie spielen in diesem Buch nur eine Nebenrolle, aber mehr als ein Cameo-Auftritt ist es schon. Die Zeitläufer sind u.a. dafür verantwortlich, daß in einem der Reiche auf dieser Welt Kanonen eingeführt werden, weil sie als Berater für den dortigen Kaiser arbeiten und die Entwicklung der Dinge ein wenig vorangetrieben haben. Sie sind schon in ihrem »eigenen« Buch ziemlich frei von moralischen Skrupeln und um irgendeine erste oder oberste Direktive kümmern sie sich überhaupt nicht. Der Wanderer selbst hilft z.B. den Hauptpersonen aus der einen oder anderen schwierigen Lage, indem er einfach mit seiner Maschinenpistole MP7 dazwischenhält. Trotzdem bleiben die Zeitläufer am Rande. Ihr Buch war ja schließlich schon geschrieben. Andererseits war ich es meinen Figuren noch schuldig geblieben, ihren Verbleib zu erklären.
Ob und wie die beiden Parallelwelten gerettet werden und welche Rolle die Zeitläufer von der Erde dabei spielen, steht in »Das Tor der Dunkelheit«, dessen zweiter und letzter Teil im nächsten Jahr erscheinen soll. 

Zum Schluß noch ein paar zusätzliche Anmerkungen zu Quellen der Inspiration, wie es so schön heißt. Daß man als Autor von dem beeinflußt wird, was man liest, ist klar. Man hofft nur, daß sich kein unbewußtes Plagiat einschleicht – und ich denke, daß ich das vermeiden konnte. Ich lese immer noch gern moderne SF und Fantasy, nicht wie einige ältere DDR-Autoren, die das völlig ablehnen und ignorieren. Aber ich glaube nicht, daß man sich als Autor auf diese Art vor fremden Einflüssen schützen muß. Die Stilmittel und Versatzstücke der SF und Fantasy sind für mich Teil des Handwerkzeugs. Was man mit ihnen anstellt, ist die Frage, die der Leser beurteilen muß.
Piers Anthony schrieb in seinem 7-bändigen Zyklus »Inkarnationen der Unsterblichkeit« von einem Fernsehsender im höllischen Fegefeuer (wo ein großer Teil der Bücher handelt), der für jeden Zuschauer individuelle Nachrichten brachte. So etwas ähnliches erfindet eine Zauberin für sich in »Das Tor der Dunkelheit« – aber nicht ganz so wie bei Piers Anthony, da hier schon die Rahmenbedingungen anders sind. Das sogenannte CNN der Hexenkönigin Durna ist außerdem eine Gelegenheit zur witzigen Auflockerung des Textes gewesen, wie ich hoffe. Durna ist es auch, die einen Zauber namens Spiegelmaske einsetzt. Zu dem wurde ich durch das Musikvideo der Band Apokalyptika zum Film »Vidoq« inspiriert. Ich betone hier das Musikvideo, da es von der Filmhandlung kaum etwas verrät und diese für mich gar keine Rolle spielte, weil ich den Film nicht kannte. Es waren nur die reinen Bilder, die mich auf die Idee brachten. Hier die Textstelle, wo Durna den Zauber entdeckt.
Überhaupt sind es oft solche Videos, die mich auf bestimmte Szenen bringen. Nur um einmal eine These in den Raum zu stellen – ich halte die Kunstform des Musikvideos für eine sehr innovative und äußerst kreative Form des Filmemachens, die sich sehr oft phantastischer und surrealer Elemente bedient. Natürlich nicht jedes Video dieser Art; tatsächlich sind die wirklich guten, für die das zutrifft, eher in der Minderheit – aber ist das wirklich Gute das nicht immer?
In »Das Tor der Dunkelheit« gibt es eine Menge Magie und Kämpfe, außerdem bricht in der Person eines Chaos-Lords das personifizierte Chaos in diese Welt ein. Aber was ist eigentlich Chaos? Ich studierte einen Stapel Literatur zu dem Thema, der mir aber nicht besonders weiter half. Ich mußte überrascht feststellen, daß es sehr schwer war, dieses so oft gebrauchte Wort vom Chaos in einer literarischen Handlung umzusetzen, die eben nicht derart chaotisch sein durfte, daß sie den Leser in den Wahnsinn triebe.
Jedenfalls nicht vor Ende des letzten Teils.
Krieg ist Chaos, und Krieg gibt es. Nicht übertrieben viel, er erscheint fast ein wenig gedämpft. Ich wollte das nicht so in den Vordergrund rücken. Allerdings – um Inspirationen zu erwähnen, falls das jetzt nicht zu makaber klingt – eine wichtige Szene des Krieges in dem Buch schrieb ich unter dem Eindruck der Bombardierung Bagdads durch die Amerikaner bei Beginn des Golfkrieges.
Das Wetter wird oft zitiert, wenn es um Chaostheorie geht, und es spielt hier auch ein wenig verrückt. Aber das ist nicht so wesentlich, eher ein Ärgernis am Rande. Welcher echte Fantasy-Held würde sich auch von banalen Unbilden der Natur beeindrucken lassen?
Und da kam mir das Möglichkeitsuniversum gerade recht. Das Chaos äußert sich in dem Buch u.a. dadurch, daß Vorstellungen und Visionen aus anderen Bereichen ins Bewußtsein der Leute eindringen, wie ich bereits erwähnte. Die Hauptpersonen sind dafür aus verschiedenen Gründen besonders empfänglich, und so versuchen sie z.B. ständig, auf nicht-existente Armbanduhren zu schauen, grübeln über pferdelose Wagen nach oder erfinden das Fernsehen nach, wie die Königin.
Eine weitere Quelle: Die Beschreibungen des Äußeren der Königin Durna, die eine meiner Lieblingsfiguren in dem Buch ist, beruhen auf einem Bild von Winona Ryder. (Vielleicht sollte ich ihr bei der Verfilmung die Rolle anbieten? Oder sitzt sie noch im Knast?)
Das waren natürlich nur ein paar Beispiele, wo mir die Quellen eingefallen sind. Manches habe ich mir auch einfach so ausgedacht. 

Ich werde in naher Zukunft auch den letzten Teil der »Stronbart Har« Trilogie als Buch veröffentlichen, wobei man niemals nie sagen sollte, wenn es darum geht, eine Trilogie zu schreiben, wie viele namhafte Autoren vorgemacht haben. Auch »Mandragora« soll noch einmal durchgesehen und nächstes Jahr als Buch angeboten werden, das neue Titelbild hat Thomas Hofmann schon geliefert. Zusammen mit »Die Zeitläufer« sind demnächst also noch drei Bücher von mir zu erwarten, daneben konzentriere ich mich im Rahmen der Edition SOLAR-X vor allem auch auf die Veröffentlichung anderer Autoren. Falls sich eine Möglichkeit der Finanzierung findet, werde ich z.B. eine Übersetzung aus dem Russischen anbieten. Der Autor, Juri Petuchow, ist hier noch völlig unbekannt, in Russland dagegen schon sehr oft veröffentlicht worden. Außerdem sind einige Erzählungssammlungen von Autoren geplant, die man schon aus dem SOLAR-X kennt. Und wenn ein paar der Ideen, die ich habe, klarere Konturen annehmen, schreibe ich vielleicht auch wieder etwas.

Wilko Müller jr., Oktober 2004

Die Folien mit den Diagrammen wurden auch als Bild ins Netz gestellt, die Qualität ist aber nicht besonders.

Folie 1   |   Folie 2   |   Folie 3

Kommentar von Peter Schünemann.

Anmerkung von Wilko.





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