Auszug aus »Operation Asfaras«:
Jana rutschte in einer steilen Rinne im Schlamm aus
und fluchte auf Irdisch, wie es die Partisanen ihres heimatlichen
Waldes getan hätten.
»Nicht so laut!« sagte eine Stimme von oben herab.
Sie blieb stehen, und ihre Hand zuckte zu der Stelle, wo sie manchmal
einen Blaster zu tragen pflegte. Doch natürlich hatte sie keine
irdischen Waffen bei sich.
»Was ist? Willst du ewig im Schlamm stehen?« fragte die Stimme gelangweilt. Sie schien einem Mann zu gehören.
Zögernd stieg Jana weiter hinauf, bis sie zu einer Stelle kam, an der
ein Haufen poröser, grünbemooster Steinblöcke aufgetürmt war. Einer der
Blöcke war ausgewaschen oder bearbeitet, so daß er wie ein
Schaumsteinsessel aussah. In ihm saß ein Mann.
Er blickte kurz von einer Landkarte auf, die er studierte, und nickte
ihr zu. »Hallo«, sagte er. Doch dann zuckte er leicht zusammen und
musterte Jana genauer. »Eine Fee!« murmelte er überrascht.
»Entschuldige, aber ich wandere schon so lange einsam herum, daß mir im
ersten Augenblick gar nicht auffiel, wie seltsam es ist, einen anderen Wanderer zu treffen. Das ist hier nämlich nicht üblich.«
»Kann ich mir vorstellen!« sagte Jana. »Wie kommt es, daß du hier oben wanderst?«
»Eine gute Frage!« sagte der Mann strahlend. Dann runzelte er die Stirn
und sah sich um, als bemerke er erst jetzt, wo er war. »Das ist das
Innere Gebirge der Zauberer des Asfaras, nicht wahr?« Jana nickte.
»Siehst du, ich bin halt einer der Wanderer. Ich habe hier
Karten von allen möglichen Gebieten«, er klopfte auf die zahlreichen
Taschen seiner graugrünen Regenkutte, »Sozusagen billig erworben,
verstehst du! Und da ich gerade nichts anderes zu tun habe, wandere
ich eben herum und sehe mir die Gegend an. Hier bin ich oft. Es ist so
schön ruhig. Bisher habe ich im Inneren Gebirge noch nie jemanden
getroffen. Wohin willst du?« fragte er plötzlich.
»Zum Palast«, antwortete Jana. »Ich soll im Archiv helfen.«
»Und warum wanderst du? Nicht, daß Wandern schlecht wäre, aber es ist hierzulande recht unüblich.«
»Ich bin Traditionalistin«, sagte Jana entsprechend ihrer vorbereiteten
Legende. »Früher war es durchaus üblich, daß Feen das Land auf der
Suche nach den Zauberern durchwanderten. Ich habe es mir zur Aufgabe
gemacht, diese Lebensweise zumindest auszuprobieren, wenn man sie schon
nicht wiederbeleben kann.«
»Aha«, machte der Wanderer und sah sie nachdenklich an, »das
stimmt allerdings. Die Wandernden Feen... ich hatte sie schon fast
vergessen. Nur waren es wohl nicht die Zauberer, die sie suchten.«
Jana horchte auf. »Was weißt du darüber?« fragte sie verwundert.
»Nichts, nichts. Ich bin nur ein Wanderer.« Der Mann strich sich
über seinen Bart. »Wenn du zum Palast willst, solltest du den Pfad
nehmen, der auf dem Gipfel des Berges nach Südosten führt.«
Fast gegen ihren Willen setzte sich Jana wieder in Bewegung. Als sie
sich noch einmal umblickte, konnte sie gerade noch den seltsamen Mann
in die Richtung verschwinden sehen, aus der sie gerade gekommen war.
Sie schüttelte den Kopf und stieg weiter bergan. Erst oben, als sich
der Weg tatsächlich verzweigte, wurde ihr bewußt, daß sie sich schon
nicht mehr an Gesicht und Äußeres des Mannes erinnern konnte. Eine
Kutte mit vielen Taschen, ein Bart... War er jung oder alt gewesen?
Hatte er Gepäck bei sich gehabt? Und - in welcher Sprache hatte sie eigentlich mit ihm gesprochen?
Ein Frösteln überlief das Mädchen trotz der wärmenden Sonnenstrahlen, die es auf dem Bergkamm trafen. Die Begegnung war so normal gewesen, doch nachträglich erschien sie ihr unnatürlich.